Als Geschäftsführer des Clubkombinats Hamburg e. V. beobachtet Thore Debor die Auswirkungen der Corona-Krise auf die hiesige Clublandschaft genau. Im Blog spricht er über die derzeitige Situation, die anhaltende Unsicherheit in der Live-Branche und was sich seiner Ansicht nach ändern müsste, damit Menschen wieder gemeinsam tanzen und feiern können.
Den Clubbetreibern geht es wohl mit am schlechtesten in der Kulturszene. Sie waren unter den Ersten, die schließen mussten und werden die Letzten sein, die wieder mit voller Kapazität aufmachen dürfen. Du hast ja zu den Clubbetreibern*innen einen engen Kontakt. Wie ist die Stimmung nach 16 Monaten Zwangspause?
Die Clubbetreiber*innen sind harte Zeiten und viel Einsatz gewohnt. Aber die jetzige Situation stellt alles Vorherige in den Schatten. Viele sind müde, ob der Fülle an Antragsbürokratie, um an die notwendigen Hilfsgelder zu gelangen: Überbrückungshilfen I, II, III, III+, November- und Dezemberhilfe, Neustart Kultur, Sonderfonds Kulturveranstaltungen und Club-Rettungsschirm, um die wichtigsten Säulen aufzulisten. Da muss man den Durchblick behalten und einen engen Draht zum Steuerbüro pflegen. Diese Arbeitszeit wird aber leider nicht vergütet.
Wie blicken die Hamburger Clubs in die Zukunft?
Pauschalaussagen über die vielfältige Clubszene Hamburgs sind immer schwierig und selten angebracht. Insgesamt würde ich die Stimmung verhalten-optimistisch einstufen.
Etliche Clubs befassen sich damit, wie sie ab diesem Herbst wieder ein Indoor-Programm gestemmt bekommen. Ob die Künstlerinnen und Künstler bereit stehen, aber auch die Frage, ob dann auf den Punkt ausreichend Fachpersonal wie Ton- und Lichttechniker*innen oder Tresenkräfte verfügbar sind, ist derzeit nicht absehbar.
Manche scheuen auch das Ansteckungsrisiko und spüren die Verantwortung, die sie als Clubbetreiber*innen für die Gäste und das Personal tragen müssen, wenn sie die Türen wieder aufsperren.
Was ist für Dich die größte Herausforderung, um wieder sicher veranstalten zu können?
Das Corona-Virus wird nicht mehr verschwinden. 100 Prozent Sicherheit kann und wird es nicht geben. Die Frage ist also, wie hoch bleibt das Restrisiko, ist es gesellschaftlich vertretbar und wer übernimmt es (ab wann)? Die Clubs können erst wieder zum Normalbetrieb zurückkehren, wenn die Politik Veranstaltungen ohne Abstand, ohne Masken und mit Alkohol Begegnungen auf engstem Raum erlaubt. Diese Festlegung seitens der Politik einzuholen, ist unsere größte Herausforderung als Club-Verband.
Wie können Hamburger Clubs wirtschaftlich überleben, wenn zukünftig die Venues nur noch mit halber Kapazität bespielt werden?
Gar nicht. In diesem Szenario wird es weitere finanzielle Kompensation seitens des Staates benötigen, sonst werden alle bisherigen Rettungsmaßnahmen obsolet und die Clubs gehen reihenweise pleite.
Wir befinden uns auf extrem dünnem Eis. Die Liquidität ist großflächig aufgebraucht. Für die Übergangsphase zum Normalbetrieb wird es besonders auf ein funktionierendes Zusammenspiel der Förderinstrumente wie den Überbrückungshilfen, dem Wirtschaftlichkeitsbonus und den Hamburger Club-Rettungsschirm ankommen.
Stichwort Delta-Variante: Wie wird das Thema einer möglichen vierten Welle in der Clubszene diskutiert? Gibt es Aussicht auf Hilfe für die Hamburger Clubszene oder kommen Signale aus der Politik?
Niemand ist glücklich und zufrieden, wenn es darauf hinausläuft, dass ausschließlich Genese, Geimpfte oder Getestete wieder die Clubs betreten dürfen. Wenn dieses Einlasskriterium zusammen mit einer Kontaktnachverfolgung die Bedingungen sind, um ohne Abstand und ohne Maske in Innenräumen wieder veranstalten zu dürfen, müssten wir diese Kröte wohl schlucken.
Die Politik in Berlin oder im Hamburger Senat tut sich extrem schwer damit, für die Kultur- und Veranstaltungsbranche Perspektiven zu entwickeln. Wir sind in Gesprächen, doch dieser Austausch liefert bislang noch keinen Anlass für Hoffnungen.
Wie könnte die Preisstruktur der Clubs nach Neueröffnung aussehen? Ist mit höheren Eintrittsgeldern für den Gast zu rechnen?
Ich gehe davon aus, dass viele Gewerke und Gagen kräftig steigen werden – der Nachholbedarf ist enorm. Dass dieser Bedarf sich auf die Eintritts- und Getränkepreise auswirken wird, steht für mich fest. Es läge an der Politik, diesem Trend mit einer auskömmlichen Club-Förderung dauerhaft Einhalt zu gebieten, damit diese Form der Live-Kultur auch für das jüngere Publikum erschwinglich bleibt.
Kann man Stand jetzt absehen, wann die Clubs in Hamburg wieder mit voller Kapazität öffnen dürfen?
Nein, das liegt noch gänzlich im Bereich der magischen Glaskugel, zu der wir immer noch keinen Zugang gefunden haben.
Thore, was hältst du von digitalen Formaten? Denkst du, dass diese auch nach der Pandemie Bestand haben können?
Live ist live! Das Gemeinschaftserlebnis in einem Club kann digital nicht ersetzt werden. Bei ausverkauften Shows könnte ich mir vorstellen, dass hier Hybrid-Streaming-Formate eingesetzt werden, um das Zuschauerinteresse zu bedienen.
Worauf freust du ich persönlich am meisten, wenn es wieder losgeht?
Auf einen Shot gekühlten Pfefferminzlikör Good Peppa an jedem Tresen dieser Stadt, um die Rückkehr der Live-Kultur gebührend zu begrüßen. Wenn es uns gelingt, mit Club Goods eine clubeigene Getränkemarke zu etablieren, hätten wir die Zwangspause in der Pandemie sinnvoll genutzt.