"Am Ende wird alles gut werden und wenn noch nicht alles gut ist, dann ist es noch nicht das Ende." Das soll Oscar Wilde mal gesagt haben, und dementsprechend steckt auch mehr in diesen Worten als ihre Naivität vermuten lassen. Jede*r in unserem Team hat sie im vergangenen Jahr während des Lockdowns gemeinsam mit einem Geschenk als Postkarte erhalten, die heute an vielen Kühlschränken klebt. Damals hat noch niemand ahnen können, dass wir ein zweites Mal auf das Hurricane und Southside verzichten müssen und auch alle anderen Events derzeit noch stillstehen. Immerhin: Unglaubliche Lust auf Live haben wir noch immer, das Zitat gilt für uns nach wie vor. Höchste Zeit, mal wieder bei den Chefs durchzuklingeln, um zu fragen, wie's so geht.
Folkert, Stephan, vor ziemlich genau einem Jahr um diese Zeit haben wir auch für den Blog gesprochen. Damals hatte ich euch gefragt, wie viele Videokonferenzen ihr an diesem Tag schon hattet. Dass es viele sind, hat sich nicht wirklich geändert, oder?
Stephan: Nein, daran hat sich nichts geändert. Aber das trifft ja nicht nur auf uns zu: Unser gesamtes Team arbeitet seit dieser Zeit komplett digital und hat einen neuen Rhythmus und eine neue Form der Zusammenarbeit gefunden. "Rhythmus" deshalb, weil die allermeisten von uns nach wie vor in Kurzarbeit sind - und durch die vielen Verlegungen und das Management der Corona-Auswirkungen trotzdem die Schreibtische voll haben.
Vor kurzem haben wir das Hurricane und Southside auf kommendes Jahr geschoben. Könnt ihr etwas zum Timing der Ankündigung sagen, und was das für uns und vor allem unsere Gäste bedeutet?
Stephan: Unser Ziel war es, so schnell wie möglich Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen, weswegen wir auch schon früher im Jahr ein ehrliches Update auf unseren Social Media-Kanälen gegeben haben. Unsere Planungen liefen bis zuletzt weiter, was wir allen Beteiligten, unseren Gästen voran, auch schuldig sind. Wir haben alles dafür getan, Hurricane und Southside für alle sicher stattfinden zu lassen - aber letztlich mussten wir einsehen, dass der Impffortschritt gepaart mit der aktuellen pandemischen Entwicklung kein Wiedersehen im Juni erlaubt. Für die Planung von Mega-Events wie dem Hurricane und Southside Festival benötigen wir außerdem einen adäquaten zeitlichen Vorlauf, damit die Infrastruktur zweier Kleinstädte mit unserem Qualitätsanspruch auch wirklich entstehen kann. Jetzt gilt es, die Acts für 2022 möglichst schnell zu bestätigen und nach vorne zu schauen.
Folkert: Richtig. Unsere Gäste können sich außerdem sicher sein, dass wir so schnell und transparent wie möglich mit ihnen sprechen, egal ob es um Festivals oder sonstige Veranstaltungen geht. Die Tickets von Hurricane und Southside behalten ihre Gültigkeit, und für die, die einen Besuch nicht einrichten können, gibt es natürlich entsprechende Lösungen. Von denen machen insgesamt gesehen nur erfreulich wenige Menschen Gebrauch, was angesichts von Tausenden verschobenen Veranstaltungen allerdings trotzdem längere Wartezeiten nach sich ziehen kann. Wir und das Team tun unser Bestes, um alle Fälle möglichst schnell zu bearbeiten.
Ihr habt auch intern sehr offen kommuniziert, natürlich haben sich viele aus dem Team gefragt, wie es der Firma nach mehr als einem Jahr Stillstand geht. Wie sieht's denn gerade aus?
Folkert: Wir stehen finanziell noch gut da. Wir haben einige sehr gute Jahre hinter uns und haben anständig gewirtschaftet. Deshalb können wir nach wie vor von unseren Rücklagen zehren - auch mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie. Anders ginge es gar nicht, denn unser Umsatz ist um 92,5 Prozent eingebrochen.
Stephan: Das stimmt, unser Unternehmen steht glücklicherweise auf einem sicheren Fundament. Da fällt mir ein: Wir haben nach der Festivalabsage die vielen Kommentare von Fans bei Facebook gesehen, die uns sogar monetär unterstützen wollen. Das hat uns wirklich sehr berührt. Diese Leute und alle anderen Gäste sollen aber wissen: Wir sind gut aufgestellt, und die Saison 2022 ist nicht in Gefahr!
Folkert: (lacht) Zumindest nicht von unserer Seite.
Stephan: (lacht) Berechtigter Einwand. Aber mal im Ernst: Auch was die Pandemie betrifft, haben wir mittlerweile eine echte Perspektive: Die Impfungen nehmen Fahrt auf, und wir sind mit guten Lösungen gewappnet, die selbst große Open-Airs unter verschärften Hygieneregeln möglich machen würden. Wir vertrauen darauf, dass die Politik unserer Expertise auch Gehör schenken wird.
Na dann ist ja alles gut...?
Folkert: Naja. Was uns wirklich Kopfschmerzen bereitet, sind die vielen Glieder der kulturellen Wertschöpfungskette, die sich keinen so langen Atem erlauben können: Logistik, Licht, Sound, Gastronomie, und, und, und. Der natürlich gerechtfertige Bevölkerungsschutz kostet nicht nur unserem Wirtschaftszweig zahllose Existenzen.
Stephan: Der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Aber auch sonst verlieren wir viel. Die kulturelle Dürre ist ja nicht einfach ein Kollateralschaden – sondern eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Katastrophe. Wir müssen gemeinsam in Gesellschaft und Politik alles dafür tun, dass sie unter Beachtung des Bevölkerungsschutzes schnellstmöglich zurückkehren kann.
Danke euch für's Gespräch!