Wir nutzen unsere unfreiwillige Auszeit, um unseren Kolleg*innen mal auf die heimischen Schreibtische zu schauen und zu fragen, wie sie die Pandemie verändert hat. Ohne Charles läuft bei uns nichts: Er leistet IT-Support, hat sich noch nie beschwert, eine blöde Technikfrage zum hundertsten Mal gehört zu haben und hat im vergangenen Jahr gemerkt, dass die Frage "Hast du's schon mal mit Neustart probiert?" nicht nur in die IT passt.
Was ist deine Aufgabe in unserem Team?
Meine Hauptaufgabe ist der IT-Support. Ich helfe also Kolleginnen und Kollegen, wenn sie technische Probleme und Fragen haben oder richte für Neuzugänge alle benötigte Hard- und Software ein. Probleme mit der Technik sind mindestens genauso vielfältig wie die Aufgabenbereiche bei uns, aber es gibt natürlich einige Klassiker: Zum Beispiel, dass E-Mails nicht gesendet und empfangen werden können. Aber glücklicherweise lassen sich längst nicht alle Probleme nach einem festen Schema lösen – sonst wär’s ja auch langweilig. Auch erfahrene IT-ler stehen manchmal vor Problemen, die sie nicht auf Anhieb lösen können – und mindestens einmal in jeder IT-Karriere passiert etwas, für das es weder in den eigenen Köpfen noch in den Weiten des Internets eine Lösung zu geben scheint; dann macht der Job richtig Spaß – auch, wenn sich das in dem Moment nicht so anfühlt (lacht).
Wie hat die Pandemie deinen Arbeitsalltag verändert?
Die Veränderung ging für mich recht geschmeidig über die Bühne. Ich habe seit Jahren immer ein eigenes Home-Office-Setup, insofern sitze ich auch daheim an einem mir vertrauten Arbeitsplatz, den ich nun eben auch für Büroarbeiten nutze. Ich fühle mich auch weniger gestresst als früher. Wenn bis zum Feierabend mal etwas nicht fertig wird, dann ist das eben so. Durch die Arbeit im Home-Office kommen IT-Anfragen auch viel eher zentralisiert in unser Ticket-System rein, statt über mehrere Kanäle - beispielsweise über den Flur, in dem man mal angesprochen wird - und die Arbeitszeit kann am Ende effizienter gestaltet werden. So angenehm das alles ist, so sehr fehlt das Team dann aber doch. Perfekt ist der neue Arbeitsalltag also bei weitem nicht. Immerhin kann ich meinen eigenen Kaffee trinken, der jetzt nicht besonders gut ist, aber an den ich mich über die Zeit immerhin gewöhnen konnte (lacht).
Die Folgen der Pandemie hatten aber auch privat Bedeutung für mich: Als Mensch hat mich die Entzerrung des Alltags fast schon gerettet, könnte man sagen. Ich war auch neben meinem Hauptberuf sehr beschäftigt und beispielsweise viel als Fotograf oder für meinen Blog unterwegs. Kurz vor der Pandemie habe ich mich ziemlich ausgebrannt gefühlt und damit einhergehend auch Depressionen entwickelt. Die Zeit des weitgehenden Stillstands war für mich also plötzlich eine Zeit, um zu mir zu kommen, weil mir nichts anderes übrig blieb; eine Findungsphase. Ich kenne eine Menge Leute, die es durch Corona wirtschaftlich schwer getroffen hat; ich hatte und habe das Privileg, keine Existenzängste durchleben zu müssen, insofern habe ich eher das Gefühl, Glück im Unglück gehabt zu haben.
Was hast du in den letzten Monaten gelernt?
Seit Jahren versuche ich immer mal wieder, mir das Gitarrespielen wieder beizubringen. Insofern war das die perfekte Zeit, allerdings wollen die Finger immer noch nicht so, wie ich gern würde. Dazu habe ich meine verlorengegangene Leidenschaft für Videospiele wieder entdeckt - das war sozusagen meine Form des Eskapismus. Für mich selbst habe ich wiederum gelernt, dass ich meinen Lebensentwurf ändern muss. Ich habe, wie gesagt, immer viel gearbeitet: Ich war bis 19 Uhr im Büro, danach oft als Fotograf auf einem Konzert, für das ich bis in die Nacht noch Fotos bearbeitet habe. Das war immer okay, hinterlässt mit der Zeit aber seine Spuren. Durch die unfreiwillige Auszeit habe ich gelernt, dass ich diesen Lebensentwurf überdenken sollte und mir selbst mehr Zeit gönnen muss. Ich habe beispielsweise wieder mit Basketball angefangen, räume mehr Zeit für Freunde ein und mache zum ersten Mal seit acht Jahren wieder regelmäßig Sport.
Daher kann ich nur dazu raten: Wenn man sich in einer solchen Ausnahmesituation „gefangen“ fühlt, sollte man das nicht einfach akzeptieren, sondern etwas dagegen tun: Das kann eine Therapie sein, ein neues Hobby, oder andere schöne Dinge, die einen wieder aufbauen können. Was auch immer das am Ende sein mag - die Hauptsache ist, dass man sich nicht mit der eigenen Situation abfindet und darauf wartet, dass es besser wird, sondern selbst aktiv wird.
Worauf freust du dich am meisten, wenn es wieder losgeht?
Ich freue mich vor allem darauf, meinen neuen Lebensentwurf in den normalen Alltag einzubringen. Das wird sicherlich eine persönliche Herausforderung, da ich stets dazu geneigt habe, mir sehr viel aufzubürden, aber gerade das spornt mich auch an. Und wenngleich ich mir das aktuell noch nicht so richtig vorstellen kann, so freue ich mich schlussendlich natürlich auch darauf, wieder in den kleinen Hamburger Clubs, wie der Astra Stube oder dem Hafenklang, stehen zu können. Konzerte in kleinerem Rahmen und mit guten Leuten um mich herum, das wär's!