Mucke bei die Fische
FKP Scorpio

ISE und die Kraft der eigenen Zerbrechlickeit

Jonas Rohde
Jonas Rohde
17.05.2024
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ISE war eine von sechs talentierten Newcomer-Acts, die die Gäste unseres Showcase-Festivals "Mucke bei die Fische" begeistert haben. Wir haben mit der erst 18-jährigen Belgierin über neue Erfolge, alte Dämonen und die unvergleichbare Kraft von leisen Tönen gesprochen.

Es läuft verdammt gut für ISE aus dem belgischen Bree: Ihr Debut als Singer-Songwriterin in 2023 beschreibt sie selbst als „Schneeball“, der auch in diesem Jahr keine Zeichen der Entschleunigung zeigt: Sie begeisterte nicht nur auf Festivals wie Pukkelpop (BE), Sziget (HU) und Bospop (NL), sondern entschied auch angesehene Musikwettbewerbe wie Sound Track und Imagine Music Experience Netherlands für sich. Gleich zu Beginn dieses Jahres hat sie Studio Brussels' „de nieuwe lichting 2024“ abgeräumt.

„Ich habe schon früh angefangen, Musik zu machen. Anfangs in Coverbands, seit der Pandemie schreibe ich auch eigene Songs“, erzählt sie. „Das war auch der Zeitpunkt, an dem ich erste Solo-Shows in kleinen Clubs gespielt habe. Ein halbes Jahr später hat mein heutiger Manager Simon ein Video von mir gesehen und Kontakt zu mir aufgenommen. Und dann ist ziemlich schnell ziemlich viel passiert, zum Beispiel mein Auftritt beim Sziget, der eine großartige Erfahrung war.“

Wer sich fragt, warum ihr Manager keine Zeit verlieren wollte, die 18-Jährige zu kontaktieren, kann sich hier selbst überzeugen:

ISE hat eine besondere Stimme: Rau im Timbre, aber dennoch schmelzend-weich, bricht sie nur genau dann, wenn die Sängerin es will. Dieses Maß an Kontrolle ist für ihr Alter nicht selbstverständlich, genauso wenig wie die Klarheit und Kraft, die ihren effektvollen Songs innewohnt. Instrumental braucht es da nur minimale, aber geschmackvolle Begleitung an der Gitarre oder dem Klavier. Die Fähigkeit, ohne große Orchestrierung oder Schnörkel unmittelbar Gefühle auszulösen, könnte in Zukunft der Grund sein, warum der rollende Schneeball zur Lawine wird.

„Wenn du ganz allein auf der Bühne stehst, kannst du dich nicht hinter einer Band verstecken. Dieser Gedanke kann manchmal einschüchternd sein, aber letztendlich ist es genau das, was meine Musik ausmacht“, so ISE. Ein weiterer Punkt ist sicherlich die Tatsache, dass die Inhalte ihrer Songs nicht willkürlich sind: „In vielen meiner Lieder geht es um eigene Erfahrungen wie die Scheidung meiner Eltern. Ich finde es schade, dass das nach wie vor ein Tabu-Thema ist, obwohl sich immer mehr Menschen trennen, was natürlich immer Auswirkungen auf ihre Kinder hat. Für mich selbst war die Musik in dieser schwierigen Zeit wie Therapie, die mir geholfen hat, das zu verarbeiten. Mit zunehmendem Erfolg kann ich eine hörbare Stimme derjenigen sein, die aus diesem Grund genauso gelitten haben wie ich – das spornt mich an.“

Natürlich hat sie auch musikalische Ziele: Zum Beispiel eine weitere Singleveröffentlichung, bevor die erste eigene EP erscheint. Dafür müsste ISE aber erst mal die Zeit fürs Studio finden, was angesichts weiterer Festivaltermine, einer Tour mit Guano Apes und dutzenden Soloshows in 2024 kein leichtes Unterfangen wird. Wer darauf also nicht warten möchte, sollte diese Künstlerin unbedingt live erleben. Gelegenheiten dazu gibt es glücklicherweise und verdient genug.