Mit ganzem Herzen halb zuhause: Love'n'Joy kämpfen mit Musik für ihre Heimat - auch auf dem Hurricane und Southside Festival
Als Russlands Truppen sich im Februar 2022 an der Grenze versammeln, bekommt Anton Pushkar das nur am Rande mit. Er sitzt Tag und Nacht im Studio, vertieft in die letzten Arbeiten am Album „Half Home“, dessen Titel fast prophetisch sein sollte: Kurz nach Beginn des Krieges begab sich Love’n’Joy auf eine scheinbar endlose Charity-Tour, um auf die Situation in der Ukraine aufmerksam zu machen und um Unterstützung zu bitten – jahrelang unterwegs in einem Zustand des „halben Zuhauses“, bis die Band schließlich ein vorübergehendes in Berlin fand. Die auch international zunehmend erfolgreichen Musiker verfolgen dabei eine klare Mission, die Love’n’Joy im Juni auf das Hurricane und Southside Festival führen wird.
Die Band ist aber nicht nur politisch, sondern vor allem musikalisch ein Gewinn: Love’n’Joy zählen zu den erfolgreichsten ukrainischen Indie-Rock-Bands. Ihr Sound verarbeitet Einflüsse aus dem Brit-Pop und Psychedelic Rock, tauscht hypnotische Passagen aber auch gerne gegen härtere Riffs, was die Musik der Band näher an den heutigen Zeitgeist bringt. Zu rauen Kanten stoßen Texte, die dem überall im Land zu beobachtenden Wiederaufleben einer dezidiert ukrainischen Kultur Flügel verleihen.
Diese Qualitäten sind auch im Ausland nicht unbemerkt geblieben: Love’n’Joy standen auf den Bühnen von namhaften Showcase-Festivals wie dem Reeperbahn Festival, Eurosonic und Iceland Airwaves, touren durch Europa und haben Konzerte für ARTE Concert oder WDR Rockpalast eingespielt.
Anton Pushkar lächelt etwas verlegen, als wir ihn in unserem Videocall auf diese Erfolge ansprechen. „Als wir die Band 2009 gegründet haben, waren wir vor allem einfach Rock’n’Roll-Fans. Wir wollten Menschen mit unserer Musik zusammenbringen und gute Vibes verbreiten – im Grunde tun wir das heute noch, aber die Umstände haben sich natürlich verändert.“
Damit meint Pushkar die russische Invasion, die aus den drei Musikern plötzlich Fundraiser, Botschafter und Diplomaten gemacht hat. Die Band zählt zu den Gründern von „Musicians Defend Ukraine“, einer Initiative, die finanzielle Mittel für Helme, Erste-Hilfe-Sets oder Krankenwagen für Musiker*innen an der Front sammelt. Ein ebenso wichtiges wie persönliches Anliegen, denn auch befreundete Musiker Pushkars müssen ihre Heimat mit der Waffe verteidigen: „Die Gründung von Musicians Defend Ukraine 2022 war das Beste, was wir in dieser Situation hätten tun können. Aus einer bloßen Idee wurde schnell eine schlagkräftige Initiative, die Hunderten Musikerinnen und Musikern an der Front essenzielle Hilfe leistet. Ich bin dankbar, dass die Organisation heute von einem tollen Team in der Ukraine geleitet wird, sodass wir uns auf die Promotion und das Fundraising konzentrieren können.“
Love’n’Joy haben sich außerdem mit dem ukrainischen Künstler Nikita Kravtsov zusammengetan, um eine einzigartige Gitarre zu gestalten, die für eine Charity-Auktion zugunsten der Ukraine versteigert wird. Nikita ist bekannt für seine Wandgemälde wie Vive la Résistance Ukrainienne in Paris und The Wall in Wien – beide stehen als Symbol für die Solidarität mit der Ukraine.
„Wir haben uns von einer Band zu einer Truppe Botschafter entwickelt“, erklärt Pushkar. „Vorher haben wir einfach Rock’n’Roll gemacht, heute nutzen wir unsere Konzerte und Reichweite auch, um die Situation meiner Heimat zu erklären. Wir sorgen für Aufmerksamkeit, sammeln Spenden und bieten die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen.“ Mittlerweile hat die Band mehr als 150 Konzerte gespielt und 60.000 Kilometer quer über den Globus zurückgelegt – eine Tournee, die wohl erst gemeinsam mit dem Krieg ein Ende finden wird.
Diese Reise wird sie auch auf die Bühnen des Hurricane und Southside Festivals führen, was zwei Gründe hat: Davon abgesehen, dass wir die Musik von Love’n’Joy großartig finden, imponiert uns ihr unermüdlicher Einsatz für Verteidigung und Frieden. Auf die Band aufmerksam geworden sind wir im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit „Music Saves Ukraine“, einer weiteren Initiative, die die Kraft der Musik nutzt, um der Ukraine zu helfen. (In dieser Podcast-Folge erfahrt ihr mehr über ihre unglaubliche Geschichte)
Love’n’Joy bringen mehr als nur Songs auf die Bühne: Sie zeigen Haltung, Hoffnung und die Erinnerung daran, wofür Musik stehen kann. Wir feiern mit ihnen also nicht nur gute Vibes, sondern auch eine Botschaft. Also: kommt früh, kommt laut, kommt mit ganzem Herzen – und zeigt, dass diese Band bei uns mehr als nur „halb zuhause“ ist.
Übrigens: Love’n’Joy arbeiten mit Hochdruck an ihrem nächsten Album, das gegen Ende des Jahres erscheinen soll. Wenn ihr mehr von ihnen hören wollt, schaut bei bandcamp vorbei!