Normalerweise geht es hier um Musik und Entertainment, aber immer auch um interessante Menschen, die für uns arbeiten oder die wir treffen. Einer von ihnen ist Landwirt Sven Trochelmann, dessen Hof ganz in der Nähe vom Festivalgelände liegt. Als Hurricane-Fan der ersten Stunde war er schon bei der ersten Ausgabe 1997 dabei, aber die letzten Jahre fehlte ihm leider immer die Zeit. Woran das liegt, und was es heutzutage bedeutet, Bauer zu sein, hat uns Sven erzählt, als er uns im Scheeßeler Pop up-Store besuchen kam. Schnell wurde klar: Trotz Familie, Laden und Bauernhof - Sven muss wieder zum Hurricane!
Sven, du bist nicht nur Landwirt, sondern auch Hurricane-Experte. Wie bist du zum Festival gekommen?
Genau, ich war schon beim allerersten Hurricane 1997 dabei. Als das bekannt wurde, waren all meine Freunde und ich echt heiß drauf, das war genau unser Ding. Wir haben uns sofort Tickets gekauft und hatten jedes Jahr eine tolle Zeit. Wir haben echt mordsmäßig Party gemacht! Ich komme ja direkt aus der Nähe, daher konnte ich auch einfach mit dem Rad mal für eine Dusche nach Hause fahren. Drei Tage Party und geile Bands, das war immer ein absolutes Highlight im Jahr.
Als Milchbauer hast du heute aber eher wenig Zeit für Musik und Partys. Auf deiner Website schreibst du, dass du Bauer aus Leidenschaft bist. Ich habe das Gefühl, dass man das angesichts sinkender Milchpreise und anderer Herausforderungen heute auch sein muss…
Ja, das stimmt schon. Es wird zumindest nicht leichter. Deshalb haben meine Frau und ich uns überlegt, wie wir den Hof weiterentwickeln können. 2016 haben wir dann unseren Hofladen eröffnet, gemeinsam mit der „Milchtankstelle“, einem rund um die Uhr verfügbaren Verkaufsautomaten. Das allein ändert natürlich nicht die Preissituation. Unsere Milch ist zwar gut, aber allein mit Kunden aus unserer Heimat Wohlsdorf könnten wir nicht überleben. Deshalb sind wir auch auf den Besuch von Leuten aus der Region angewiesen, aber die kommen nicht für einen Liter Milch. Daher haben wir gemeinsam mit dem Milchautomaten auch einen weiteren Warenautomaten mit frischen und regionalen Produkten in Betrieb genommen. Wir mussten aber schnell feststellen, dass insbesondere Milch zwar gebraucht wird, aber nichts ist, wofür man extra irgendwo hinfährt. Es ist traurig, aber Milch ist wirklich ein Pfenniggeschäft geworden.
Und der Preis reflektiert nicht, wie aufwendig eine für Mensch und Tier faire Produktion ist…
Genau. Hätten wir unser Konzept nicht schnell angepasst, gäbe es unsere Milchtankstelle heute wohl nicht mehr. Wir haben angefangen, Milch selbst zu verarbeiten, machen Joghurt oder Frischkäse und im Sommer sogar Eis, was sehr gut angenommen wird. Dazu kommt ein eigener Hofladen, mehrere Standorte für unsere Automaten und bald auch ein Café.
Milch ist dein Kerngeschäft. Was ist auf deinem Hof sonst noch so los?
Wir bauen auch Kartoffeln an und produzieren neben Getreide in der Fruchtfolge auch etwas Rindfleisch. Das ist schon alles. In die Direktvermarktung gehen die Kartoffeln, das Fleisch und die Milch.
Erzähle den Stadtmenschen mal, was du mit „Getreide in Fruchtfolge“ meinst.
Man baut ja entgegen der Meinung vieler Laien nicht immer die gleiche Frucht auf dem Feld an. Um die Bodenvitalität zu erhalten, müssen wir uns an eine bestimmte Reihenfolge im Anbau halten. Nur so wird der Boden nicht ausgelaugt. Das ist ja ein Vorwurf, den wir Landwirte häufig hören, insbesondere im Kontext mit Düngung.
Stichwort Nitrat-Belastung?
Ja, das geht gerade ganz stark durch die Medien. Zum Thema Düngung: Angenommen, ich baue Kartoffeln an – da weiß ich genau, wieviel Stickstoff die brauchen. Dann wird eine Analyse gemacht, um zu schauen, wie viel davon gerade im Boden ist. Und dann düngen wir nur auf Entzug, also so viel, wie die Pflanzen brauchen. Mehr nicht. Es stimmt aber auch, dass das nicht immer so war und es sicherlich auch schwarze Schafe gibt. Die Folge ist beispielsweise die Belastung des Grundwassers. Daher ist es auch richtig, dass das Thema in den Medien so präsent ist. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass wir Landwirte genauso abhängig von sauberem Wasser sind wie die Verbraucher. Wir können es uns nicht leisten, unsere jahrhundertealte Basis kaputt zu machen. Diejenigen Landwirte, die diese Grundlage nicht achten, machen allen rechtschaffenden Bauern das Leben schwer.
Das Ausmaß der Belastung ist auch immer eine Frage des Maßstabs. Du als einzelner Landwirt arbeitest ja nicht wie Massenbetriebe, die ja oft nicht zu Unrecht in der Kritik stehen. Wie viel Vieh hast du ungefähr?
Wir haben insgesamt rund 190 Tiere, also Kühe, Bullen und Kälber, die alle bei uns bleiben und gemeinsam großgezogen werden.
Wie kann ich mir einen typischen Tag bei dir vorstellen? Unser Bürotag beginnt zwischen 9 und 10 Uhr - wann fängst du an?
Meist gegen halb sechs, dann geht’s erst mal in den Stall, um nach den Rindern zu schauen. Dann wird gefüttert, erst die Kühe und dann uns selbst beim Frühstück. Mein Vater, von dem ich den Hof 2009 übernommen habe, macht glücklicherweise noch sehr viel. Für mich geht es dann im Hofladen weiter, also klassische kaufmännische Tätigkeiten wie Ware bestellen oder Automaten aufstocken. Dann kümmere ich mich noch um unsere eigene Produktion… Mein Vater macht im Betrieb wie gesagt einiges, und vor kurzem haben wir noch einen Mitarbeiter gefunden, der uns unterstützt. Je nach Jahreszeit kommen noch andere bäuerliche Tätigkeiten dazu, aber im Schnitt habe ich rund die Hälfte des Tages mit der Direktvermarktung meiner Produkte zu tun.
Wahnsinn. Was hat dein Vater eigentlich gesagt, als es mit dem Hofladen losging?
Der war natürlich erst mal sehr skeptisch, aber mittlerweile sieht er auch, dass das Konzept funktioniert. Aber ehrlich gesagt war uns vorher auch nicht klar, wie viel Arbeit das tatsächlich ist – wir haben wirklich verdammt viel zu tun. Besonders am Wochenende, wenn die Leute Lust und Zeit haben, loszufahren. Für uns bedeutet Wochenende nicht Familie, sondern meist Mehrarbeit.
Und wie bist du zum YouTuber geworden?
Ich habe auf Facebook schon immer viel gemacht, weil man als einzelner Bauer heutzutage neben Produktion auch Vertrieb und Marketing leisten muss. Facebook und später YouTube war eine günstige Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ich nenne das ungern Werbung, denn eigentlich ist das was ich mache vor allem ein Informationsangebot. Sonst wüssten die Leute nicht, was es bei uns gibt und wie ein Landwirt eigentlich arbeitet. Ich will niemandem etwas aufdrängen. Aber ich liebe meinen Job und teile ihn gerne mit anderen Interessierten. Eigentlich genau wie ein Konzertveranstalter!
Wir haben neben unserer Nachbarschaft halt doch mehr gemeinsam als wir denken. Vielen Dank für das Gespräch!