Backstage-Serie: Helden hinter der Bühne, Teil 2: Produktion
Wer in der kommenden Saison auf den Bühnen steht, wissen wir. Aber wie sieht es eigentlich dahinter aus? Hurricane und Southside sind logistische und planerische Mammutprojekte, die nur mit einem Team gestemmt werden können, das vor Ort in die Tausende geht. Mit weit über 100.000 Besuchern zählen beide Festivals so viele Gäste wie eine Großstadt Einwohner hat. Im Gegensatz zu einer Stadt gibt es auf den Veranstaltungsflächen allerdings so gut wie keine direkte Infrastruktur. Daher muss alles von der Dixi-Toilette über die Wegeführung bis hin zu Strom, Wasser, Internet- sowie Mobilfunknetz und natürlich den riesigen Bühnen, unzähligen Ständen oder Zelten in nur wenigen Tagen von etlichen Menschen errichtet werden. Egal ob Produktion oder Programm – alles wird in unserer Hamburger Zentrale geplant und mit Partnern und Behörden abgestimmt. In dieser Serie stellen wir die Abteilungen und Arbeitsschritte vor, die nötig sind, damit unsere Besucher vor Ort eine tolle Zeit haben. Weiter geht's mit der Produktion.
Ein Festival ist wie eine Stadt. Alles, was bis zu 85.000 Menschen zum Leben, Arbeiten und natürlich Feiern brauchen, muss im Vorfeld bedacht, geplant und vor Ort gebaut oder bereitgestellt werden. Beispiel vom Hurricane gefällig? Das Festivalgelände ist mit Bauzäunen abgesteckt und unterteilt, die aneinandergereiht 32 Kilometer lang wären. Eigentlich kein Wunder, denn das Veranstaltungsgelände ist ohne Camping- und Parkflächen schließlich rund 134.000 Quadratmeter groß. Egal ob 1600 Toiletten, Notausgänge oder das Riesenrad: Jedes Detail auf dem Gelände wird einzeln geplant und in etlichen Plänen verbindlich eingezeichnet, die natürlich als Grundlage für den Aufbau aber auch für die Abstimmung mit Partnern und Behörden dienen.
Auch wenn man das vor Ort leicht vergisst: Eine Veranstaltung dieser Größenordnung bedeutet auch jede Menge Bürokratie – zu Recht, denn damit das Festival erfolgreich und sicher ist, sind detaillierte Abstimmungen mit Gemeinden und Behörden unverzichtbar: Sicherheit, Verkehr, Umwelt – alles wird mit den Partnern vor Ort abgesprochen, die zusätzlich natürlich auch die Interessen der Anwohner oder ansässigen Firmen vertreten. Beide Festivals sind Wirtschaftsfaktoren und haben so grundsätzlich positive Auswirkungen auf die jeweilige Region, aber trotzdem sind Hurricane und Southside in Scheeßel und Neuhausen ob Eck natürlich nur zu Gast: So schnell, wie beide Städte für tausende Menschen aufgebaut sind, verschwinden sie also auch wieder.
Drei Fragen an Jasper Barendregt, Director of Festival Production und Benjamin Hetzer, verantwortlich für die Planung des Southside Festivals:
Wie seid ihr zu eurem nicht gerade alltäglichen Job gekommen?
Jasper: Gute Frage. So wie es im Leben halt oft geht: Es kommt eine Gelegenheit vorbei, und diese nimmst du an oder nicht. Ich kann relativ gut den Überblick behalten, auch in stressigen Situationen. Das hilft, um Festivalleiter zu werden. Die Fähigkeit, mit vielen unterschiedlichen Menschen arbeiten zu können, sollte jeder, der den Job machen will, auch mitbringen. Zuvor war ich als Stage Manager für etliche Stadionproduktionen in der ganzen Welt verantwortlich, darunter auch die Asian Games in Katar. Für eine Musicalproduktion hat es mich dann nach Hamburg zu FKP Scorpio verschlagen, wo ich seit 2010 unter anderem für das Hurricane Festival verantwortlich bin.
Benji: Ich habe schon als Jugendlicher die Konzerte meiner und anderer Bands organisiert, später während meines Studiums dann das Tourmanagement für verschiedene Bands gemacht, Bühnen und die Backline in verschiedenen Clubs aufgebaut, aber auch einfach die Abendkasse, Garderobe oder Abendleitung in Clubs und was halt alles so dazu gehört. Ich kenne Livemusik also aus ziemlich vielen Perspektiven, nicht zuletzt auch aus der des Gastes. Als Jugendlicher war ich jahrelang selbst als Gast auf dem Southside und Highfield Festival und kenne deshalb nicht nur das Gelände aus Sicht unserer Besucher sehr gut, sondern auch ziemlich viele Kniffe und Tricks um den Veranstalter zu ärgern, was mir natürlich jetzt sehr zu Gute kommt...
Ihr baut ja quasi eine Stadt für ein Wochenende auf und ab. Was macht ihr eigentlich direkt nach dem Festival – erst mal Urlaub?
Jasper: Schön wär’s! Ich bin nach dem Festival noch etliche Tage vor Ort und nutze die Zeit, um mit Akteuren vor Ort, aber auch mit eigenen Mitarbeitern zu sprechen und eventuelle Punkte aufzunehmen, die wir im Jahr darauf besser machen wollen. Die Vorbereitungen für das folgende Jahr starten tatsächlich schon vor dem aktuellen Festival: Wir legen beispielsweise das Datum schon fest und besprechen es mit allen Beteiligten – manchmal sogar noch weiter im Voraus, da vor allem beim Booking der Bands mittlerweile längere Vorlaufzeiten gefordert sind als noch vor ein paar Jahren.
Benji: Auch bei mir kommt der Urlaub erst später. Ich bespreche noch tagelang vor Ort mit allen Beteiligten die Veranstaltung nach und werte ihre Erfahrungen und ihr Feedback aus. Ich mache mir während des Festivals viele wilde Notizen, die es dann anschließend zu strukturieren und umzusetzen gilt. Wir veranstalten das Southside in einem aktiven Gewerbepark, weshalb auch viele Firmen von der Veranstaltung betroffen sind, mit denen ich anschließend spreche. Das gilt auch für die Landwirte, die Flächen an uns verpachten. Davon abgesehen müssen wir das Gelände wieder so abgeben, wie wir es vorgefunden haben.
Normalerweise arbeitet Ihr aber nicht auf dem Acker, sondern im Hamburger Büro. Wie viel Zeit im Jahr seid ihr auf dem Festivalgelände?
Jasper: Tatsächlich fühle ich mich in Scheeßel mittlerweile etwas heimisch. Ich kenne schon recht viele Leute und kann mich nicht mehr ganz unerkannt bewegen. Im Vorfeld bin ich regelmäßig in Scheeßel für Besprechungen mit den Behörden, Landwirten, Waldbesitzern, dem Nabu, der Jägerschaft und unseren direkten Anwohnern. Und wenn ich nicht in Hamburg oder Scheeßel bin, betreue ich noch das ein oder andere weitere Festival…
Benji: Ich bin mehrmals jährlich für mehrere Tage in und um Neuhausen ob Eck und komme dann immer in den Gasthäusern der Umgebung unter. Ich mag das. Ich spreche viel mit den Leuten vor Ort, um die Stimmung zum Festival aufzufangen und Punkte mitzunehmen, die wir noch verbessern können.