"Wir bohren aber nicht einfach Brunnen", so Gersdorf. "Es ist für unsere Arbeit zentral, die Bevölkerung vor Ort von Anfang an in die Projekte einzubinden und sie selbst über die Maßnahmen entscheiden zu lassen, die ihnen am wichtigsten sind. Die Menschen in Äthiopien oder Nepal sind die Experten, planen die Projekte und setzen die Baumaßnahmen in die Tat um." Die universellen Sprachen Sport, Musik und Kunst sind für die Verbindung zwischen Viva con Agua und den Projektländern die Türöffner. Langfristiges Engagement wird sichergestellt, indem die Gemeinschaften vor Ort neben der Planung auch die Instandhaltung der Trinkwasserprojekte eigenständig übernehmen. Dafür sammelt ein sogenanntes WASH-Komitee einen Wassercent pro Entnahme – eine eigene Kasse für eventuelle Reparaturmaßnahmen. VcA ist langfristig dabei, aber vor allem als beratender Partner und Investor, nicht als Kontrolleur. "Für mich war es ein Schlüsselerlebnis, das erste Mal zu sehen, wie Ideen wirklich aus den Gemeinschaften kommen, anstatt von NGOs (Nichtregierungsorganisationen) vorgegeben zu werden. Ich hatte unter anderem in Äthiopien das Vergnügen, an einer Sitzung des dortigen WASH-Komitees teilzunehmen. Das Projekt lief hervorragend, es war sogar noch Geld übrig. Ein Mitglied des Komitees hat dann vorgeschlagen, neben dem Brunnen auch noch eine öffentliche Dusche zu bauen, die die Situation im Dorf nachhaltig verbessert."
Natürlich läuft nicht immer alles rund: "In der Entwicklungszusammenarbeit gibt es auch mal ungeplante Herausforderungen. Aber wir sind daran interessiert, aus ihnen zu lernen und offen darüber zu sprechen, insbesondere mit den Leuten vor Ort. Ohne Ehrlichkeit gibt es keine Partnerschaft auf Augenhöhe."
Ohnehin sieht Gersdorf keinen Grund, sich auf den bislang erzielten Erfolgen auszuruhen: Bei aktuell 582 Millionen Menschen, die über keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser verfügen und bei rund 2,4 Milliarden Menschen, denen eine sanitäre Basisversorgung verwehrt ist, besteht nach wie vor Handlungsbedarf. "Für die Zukunft sehe ich uns in jedem unserer Projektländer als eigenständige Organisation, so wie in Uganda. Außerdem hoffe ich, dass wir die Öffentlichkeit weiterhin dafür sensibilisieren können, dass man humanitäre Ungerechtigkeiten nicht allein mit Geld lösen kann. Dafür ist es auch wichtig, dass wir noch bewusster über unser Afrika-Bild reflektieren und uns von alten Vorurteilen loslösen. Wer einmal in Ländern wie Kenia, Uganda, Äthiopien, Burkina Faso war, sieht, wie reich dieser Kontinent an verschiedensten Kulturen, Ideen und Projekten ist – ein Potenzial, in das gezielt und auf Augenhöhe investiert werden muss anstatt ausschließlich Spenden zu verteilen."
Es bleibt also noch viel zu tun. Wir freuen uns auf die nächsten zehn Jahre mit Viva con Agua!