Zugegeben: Das heutige Thema verleitet zu schlechten Wortspielen. Wir versuchen aber, uns am Riemen zu reißen. Es geht nämlich um Wichtiges. Es geht um: Kacke. Ehrlich gesagt sogar um eure Kacke, wenn ihr das Tempelhof Sounds besucht. Auf dem Festivalgelände werden nämlich 100 Trockentoiletten unseres Partners Finizio stehen, die eine deutschlandweit einzigartige Pilotanlage zur Humusgewinnung betreiben. Was eure Hinterlassenschaften damit zu tun haben? Spült euren Ekel das Klo runter und folgt uns auf eine Reise in die faszinierende Welt der Recyclingdünger!
Aber ganz von vorne, beziehungsweise von hinten ('tschuldigung): Normalerweise landet der meiste menschliche Kot in einer Kloschüssel, die er sofort mithilfe einer ganzen Menge Wasser wieder verlässt, das in Kläranlagen unter hohem Energieaufwand wieder gereinigt werden muss. Wer während des Tempelhof Sounds' mal muss, kann sich auf einer Trockentoilette von Finizio erleichtern, die übrigens viel bequemer und hygienischer ist, als ihr euch das wahrscheinlich vorstellt. Und dann?
Dann wird der Mist rund eine Woche lang hygienisiert, das heißt, in einem speziellen Container unter hoher Sauerstoffzufuhr erhitzt, sodass alle Krankheitserreger abgetötet werden. Danach geht es in die Phase der Humifizierung, wo ihm beispielsweise Tonerde zugesetzt wird und gewisse Bakterien unter gewissen Temperaturen Dinge tun, die man ohne Biochemie-Diplom sowieso nicht versteht. Nachdem eure Kacke, die sich nach weiteren acht Wochen nun Humus oder Recyclingdünger nennen darf, gesiebt wurde, kann sie als umweltfreundliche Dünger-Alternative in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen - wofür es derzeit allerdings aus irgendwelchen turbodeutschen Gründen noch keine Zulassung gibt.
Warum die Kolleg*innen von Finizio damit trotzdem aus Scheiße Gold gemacht haben, zeigt ein historischer Feldversuch in der Schorfheide in Brandenburg: Dort wurde auf einem sechs Hektar großen Versuchsfeld die Wirksamkeit des Substrats bestätigt und im August 2021 zum ersten Mal in Deutschland Roggen geerntet, der mit Humusdünger aus Inhalten von Trockentoiletten gedüngt wurde. Der Ertrag hat alle Erwartungen deutlich übertroffen, auch wenn die Düngewirkung natürlich nicht so stark wie die synthetische Alternative ausfällt – woran sich in Zukunft aber einiges ändern soll. Aber schon jetzt hat es einige Vorteile, menschlichen Kompostdünger in der Landwirtschaft einzusetzen: Zum einen ist die Herstellung von Stickstoffdünger energieintensiv und klimaschädigend und außerdem oft mit Schwermetallen belastet. Zum anderen helfen die organischen Substanzen im Humus sogar dabei, CO2 im Boden zu binden.
Daher interessiert sich auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung für diese Arbeit und fördert das Projekt, damit die Qualität des Recyclingdüngers in Labor- und Feldversuchen weiter geprüft wird und irgendwann nach seiner Zulassung auch in großem Stil zum Einsatz kommen kann – für eine echte Kreislaufwirtschaft, die gut für uns und den Planeten ist.
Übrigens sind die Toiletten, die auf dem Flughafengelände Tempelhof zum Einsatz kommen werden, auch in anderer Hinsicht nachhaltig, denn ihr An- und Abtransport spart Ressourcen: Mithilfe eines Falt- und Stapelsystems werden auf acht Quadratmetern Ladefläche sage und schreibe 40 Trockentoiletten transportiert. Mit einem klassischen Sattelzug können so bis zu 200 Toiletten angeliefert werden, und der Treibstoffverbrauch reduziert sich so pro Kabine auf 0,175 Liter Diesel auf 100km.
Nur 500 Wörter und fünf schlechte Wortspiele später stimmt ihr uns hoffentlich zu, dass das Thema tatsächlich verdammt faszinierend ist. Übrigens: Die Kooperation mit Finizio ist nur ein Teil der Sustainability Roadmap, mit der wir das Tempelhof Sounds so nachhaltig wie möglich aufstellen wollen. Mehr dazu hier.