Dass sich die Scheeßeler schon früh um ländliche Mobilität gekümmert haben, beweist der Kettcar-Gepäckservice beim Hurricane. Aber auch abseits der Festivaltage war die Gemeinde schon sehr früh sehr weit vorne: Bereits seit 2013 verbindet der Bürgerbus die Region und ermöglicht alten wie jungen Menschen mehr Teilhabe. Wir haben mit Hans-Hartwig Gerschke aus dem Vorstand des Vereins gesprochen – und über Festivals und Verkehrsplanung philosophiert.
Die Details der Vereinsgründung, Beantragung verschiedener Fördermittel und Auswahl und Beauftragung eines geeigneten Gefährts wären vermutlich nicht besonders leserfreundlich, wobei sie anschaulich deutlich machen würden, dass die Organisatoren des Angebots eigentlich hauptamtlich in den öffentlichen Nahverkehr einsteigen könnten. Alle Vereinsmitglieder sind ehrenamtlich tätig und fahren wie Gerschke oft sogar selbst, was die Existenz des Angebots in Anbetracht der hohen bürokratischen und organisatorischen Hürden noch wertvoller macht. Gerschke, eigentlich IT'ler und Geschäftsführer bei i-TMS, einem Internet-Portal für Zoll- und Bankabwicklung, beginnt unser Gespräch aber ganz bescheiden bei der Jungfernfahrt im Dezember 2013 und kommt schnell auf die wirklich spannenden Themen wie Verkehrsplanung und Fahrplanoptimierung zu sprechen.
„Dabei muss man verschiedene Sachen berücksichtigen. Es reicht nicht, jede Haltestelle einfach ein, zwei Mal täglich anzufahren. Man muss unter anderem auch schauen, wo es wie viel Bedarf gibt und welche Route der Bus idealerweise fahren muss, um zeitlich möglichst effizient zu sein. In der Zukunft wollen wir unsere Routen jedenfalls weiter optimieren.“
Derzeit fährt der Bürgerbus zwei Ringe, einen im Südosten und einen im Nordwesten um Scheeßel. Jede Tour dauert rund 50 Minuten, sodass jede Haltestelle mit den vorhandenen Fahrern werktags viermal täglich angefahren werden kann. Nicht schlecht, oder? „Letztendlich muss das Angebot so gut sein, dass wirklich für alle attraktiv und eine ernstzunehmende Alternative zu anderen Fortbewegungsmitteln ist. Wir gehören ja ganz normal zum ÖPNV und befördern beispielsweise auch mal Schüler, die abseits der Busfahrzeiten von oder zur Schule müssen.“
Auch viele geflüchtete Menschen haben das Angebot in Anspruch genommen, und doch könnten die Fahrgastzahlen noch höher sein – zumal die Corona-Zeit ihr Übriges getan hat. Gerschke möchte daran etwas ändern: „Wir haben ein gutes Angebot geschaffen. Jetzt müssen wir schauen, dass es wieder mehr Leute annehmen.“
Als Festivalveranstalter des Vertrauens und Teilzeit-Scheeßeler helfen wir dabei natürlich gerne und haben das Projekt mit einer Spende in Höhe von 5.000,- Euro unterstützt. Zumal man sich mit Gerschke hervorragend über Musik unterhalten kann, der während des Gesprächs seine Karte für das „Rock-Festival-Scheeßel" 1973 vorzeigt: „Nach den beiden Vorgänger-Festivals in 1973 und 1977 war ich auch ab 1997 so gut wie jedes Jahr beim Hurricane.“ Er grinst. „Auf das nächste Jahr freue ich mich besonders, dann kann ich mit meinem alten Ticket von 73 endlich die 50 vollmachen!“