Backstage-Serie: Helden hinter der Bühne, Teil 1
Wer in der kommenden Saison auf den Bühnen steht, wissen wir. Aber wie sieht es eigentlich dahinter aus? Hurricane und Southside sind logistische und planerische Mammutprojekte, die nur mit einem Team gestemmt werden können, das vor Ort in die Tausende geht. Mit weit über 100.000 Besuchern zählen beide Festivals so viele Gäste wie eine Großstadt Einwohner hat. Im Gegensatz zu einer Stadt gibt es auf den Veranstaltungsflächen allerdings so gut wie keine direkte Infrastruktur. Daher muss alles von der Dixi-Toilette über die Wegeführung bis hin zu Strom, Wasser, Internet- sowie Mobilfunknetz und natürlich den riesigen Bühnen, unzähligen Ständen oder Zelten in nur wenigen Tagen von etlichen Menschen errichtet werden. Egal ob Produktion oder Programm – alles wird in unserer Hamburger Zentrale geplant und mit Partnern und Behörden abgestimmt. In dieser Serie stellen wir die Abteilungen und Arbeitsschritte vor, die nötig sind, damit unsere Besucher vor Ort eine tolle Zeit haben. Den Anfang macht das Künstlerbooking!
Egal ob internationaler Top-Act oder Newcomer: Wenn das Programm auf den Bühnen überzeugen soll, muss lange im Voraus geplant und verhandelt werden. Während sich die Fans also noch auf das kommende Hurricane freuen, planen die Booker in unserem Büro an der Elbe schon das Festival im Jahr darauf. Dabei müssen sie viele Dinge berücksichtigen: Passt der Act musikalisch ins Line-up? Wie erfolgreich ist er gerade? Gibt es spannende Geschichten zu erzählen, beispielsweise ein neues Album, ein Charterfolg oder eine Reunion? Erst wenn diese und weitere Fragen geklärt sind, beginnt die Kontaktaufnahme zum Künstler. Damit das Programm bei so vielen Variablen ein Erfolg wird, helfen neben einem kühlen Kopf viel Erfahrung, Kontakte und gute Beziehungen zu Künstlermanagements. Bei mittlerweile vier Bühnen und etlichen Acts aus unterschiedlichen Genres wie Rock, Alternative, Hip Hop oder Elektro sind die Booker auf ihr Kontaktnetzwerk und einen guten Ruf in der Branche angewiesen, den sich FKP Scorpio in knapp 30 Jahren aufgebaut hat.
Stephan Thanscheidt, CEO und Leiter des Festival-Bookings, erklärt im Interview, worauf es sonst noch ankommt:
Wie wird man eigentlich Booker? Was muss man für deinen Beruf mitbringen?
Unser Beruf ist genauso interessant wie anspruchsvoll. Wichtig ist zu verstehen, dass es keinen festen Weg gibt, Booker zu werden. Eine Ausbildung zum Veranstaltungs-Kaufmann oder zur Veranstaltungs-Kauffrau schadet sicher nicht, aber grundsätzlich führen viele Wege zu diesem Beruf. Ich habe, wie viele Kollegen auch, früher selbst in einer Band gespielt und für diese auch Auftritte organisiert. Danach habe ich bei einem Verlag gearbeitet, der Musikmagazine und -events produzierte, bevor ich als Booker zu FKP Scorpio kam. Unabdingbar ist ein Interesse für Musik und eine sehr gute Marktkenntnis, die sich nur durch Erfahrung erwerben lässt. Man sollte keine Angst haben, auch mal neue Wege zu gehen und das Potenzial von Künstlern abseits vom eigenen Musikgeschmack gut einschätzen können. Gutes Englisch sowie Organisations- und Improvisationstalent sind ebenfalls Pflicht.
Welche Herausforderungen siehst Du derzeit für den Festivalbereich als besonders wichtig an?
Wir merken vor allem, dass jeder Posten von Großveranstaltungen teurer wird: Die Kosten für Sicherheit, Dienstleistung, Material und Personal steigen. Insbesondere Künstlergagen beanspruchen mittlerweile den Großteil des Budgets: In den letzten zehn Jahren haben sie sich ungefähr verdoppelt. Verständlicherweise suchen die Fans die Ursache für höhere Ticketpreise zunächst beim Veranstalter, was sie uns hier und da auch spüren lassen. Generell muss man aber sagen, dass das Preisleistungsniveau bei unseren Festivals stimmt, insbesondere wenn man auf die neuen Herausforderungen in den Bereichen Wetterfestigkeit, Sicherheit, Service und Komfort blickt. Wir müssen logistisch immer wieder Berge versetzen, allein der tägliche Umbaubedarf für aufwendige Bühnenshows bindet viele Ressourcen. Im Booking selbst schrauben wir das ganze Jahr über an der perfekten Kombination unserer Line-ups, die unterschiedliche Genres, aufregende Newcomer und große Namen zu einem stimmigen Gesamtpaket verbinden müssen. Damit uns das gelingt, halten wir engen Kontakt zu unseren Fans, etwa durch Besucherumfragen oder Kleingruppeninterviews. Generell sind wir bei allem was wir tun immer bemüht, neue Trends zu setzen – das erwarten unsere Besucher auch von uns. Und was die Ticketpreise angeht, tun wir alles, um die Belastung so gering wie möglich zu halten. Uns ist wichtig, dass es für jeden Geldbeutel das passende Ticket gibt.
Ein Musikfestival bedeutet für Fans und Macher Ausnahmezustand. Was hast Du auf dem Hurricane oder Southside schon alles erlebt?
(lacht) Mehr als ich hier jemals erzählen könnte! Es haben beispielsweise schon mehrere Bands einzelne Mitglieder auf diversen deutschen Raststätten vergessen. Oder die Abfahrt zum nächsten Gig verpasst, weil sie auf dem Campingplatz Flunkyball gespielt haben – in beiden Fällen sind wir dann für kreative Rettungsaktionen gefragt und haben so schon mehrere Konzerte gerettet. Mir persönlich sind natürlich auch die Unwetter in Erinnerung geblieben – und die ungeheure Spontaneität und der Humor unseres Teams und unserer Besucher: Mit dem Song „Am sichersten seid ihr im Auto“, den wir gemeinsam mit unseren Besuchern geschrieben haben, als das Hurricane in 2016 seinem Namen alle Ehre gemacht hat, haben wir einen viralen Hit gelandet. Als wir den Song in 2017 mit ein paar Kollegen live auf der Main Stage performt haben, war das schon ein besonderer Moment. Mit unseren Gästen verbinden uns eine Menge schöner und intensiver Momente, die unseren Job zu etwas ganz Besonderem machen.